OT Erzieher sein zu Corona

 Ich bin in letzter Zeit unglaublich wütend, traurig und auch angewidert.

Der Egoismus der Menschen nimmt zu. Ich bin sehr gerne Erzieherin, aber gerade jetzt Zweifel ich manchmal an meiner Berufswahl. Nicht weil mit die Arbeit keine Freude mehr macht, sondern wegen des Verhaltens einiger Eltern.

Es scheint nicht klar zu sein, dass Notbetreuung wesentlich aufwendiger ist. Ja, vieles fällt weg, kein gemeinsames Singen, Tanzen, keine Sprachförderung. Keine besonderen Projekte um einzelne Fähigkeiten zu fördern. Es gibt ein strenges Hygiene-Konzept. Das Außengelände muss geteilt werden, damit sich verschiedene Gruppen nicht mischen. Die Toiletten und Waschbecken sind nach Gruppen zugeordnet worden. Das Spielzeug musste reduziert werden. Weiter muss das Spielzeug täglich gereinigt werden. Die Zeiten wer wann da ist, müssen genauestens dokumentiert werden. Notgruppe mit halber Kinderzahl bedeutet nicht automatisch weniger Arbeit und dadurch viel mehr Zeit für die Kinder.

Die Hälfte der Zeit putzen und dokumentieren wir Erzieher und versuchen den Kindern so viel Normalität wie möglich zu vermitteln.

Corona ist nun einmal da, daran können wir nichts ändern und wir können auch nichts dafür. Ja, wir bieten Notbetreuung an und sind schon längst über den 50%. Einige Kinder wurden auf andere Gruppen verteilt. 

Und trotzdem, die Eltern gönnen einander nichts, ständig kommen Beschwerden: Ich habe gesehen X hat einen Betreuungsplatz, obwohl die Eltern zu Hause sind, ich sehe sie andauernd, dann muss mein Kind auch betreut werden.

Ja, wir wissen, dass viele Eltern zu Hause sind, weil sie seit fast einem Jahr im Homeoffice sind, wir wissen, dass diese Eltern uns belügen. Wir wissen, dass die Arbeitgeber denen falsche Arbeitsbescheinigungen ausstellen. Wir wissen auch, dass dadurch Plätze belegt sind, die andere Familien viel dringender benötigen, weil sie in wichtigen Berufsgruppen, wie der Pflege arbeiten und kein Homeoffice machen können. Wir wissen, dass diese Familien massive Probleme mit den Arbeitgebern haben und Drohungen der Kündigung erhalten und an Existenzängsten leiden.

Wir wissen und verstehen das. Trotzdem sind uns die Hände gebunden, wenn wir schwarz auf weiß eine Arbeitsbescheinigung haben, können wir nicht einfach sagen: Aber nein, sie lügen, sie brauchen den Platz nicht so dringend.

Also hören wir uns beinahe täglich Beschwerden von den Eltern an, die keine Betreuung erhalten, Beschwerden von Eltern, die ihre Kinder beinahe jeden Tag bringen können. Beschwerden von Fremden die uns vorwerfen, wir würden nur behaupten keine Betreuungsplätze mehr zu haben, weil wir in Wirklichkeit zu faul sind.

Wir können darum bitten, dass die Kinder nach Möglichkeit so wenig wie möglich gebracht werden sollen, es interessiert nicht. Wir können ebenfalls darum bitten, dass Eltern noch einmal überdenken, ob sie die Notbetreuung wirklich so dringend brauchen, oder ob sie nicht doch anderen angeboten werden kann. Auch das interessiert nicht. Wir sehen jeden Tag Eltern die ihre Kinder von Zuhause bringen und dann in die gleiche Richtung zurückfahren, aus der gleichen Richtung kommen sie auch, wenn sie ihre Kinder abholen. Wir wissen, dass der Arbeitsplatz in der entgegengesetzten Richtung liegt.

Stattdessen wird sich weiter beschwert, wir sind das emotionale Außenklo der Familien. Es ärgert und, wenn uns dann die Kinder erzählen, dass Mama und Papa eigentlich immer zu Hause sind, dass sie uns erzählen, dass die Kinder in die Kita sollen, damit "Mama und Papa ihre Ruhe haben".

Wie kann man das seinem Kind sagen?

Keiner zeigt Dankbarkeit, keinen interessiert es, dass auch wir uns Sorgen um unsere Gesundheit machen.

Zahlen der AOK belegen, dass ErzieherInnen mit am häufigsten erkranken. Wenn wundert es? Sie haben engen Kontakt zu so vielen kleinen Menschen und tragen dabei keine Schutzkleidung. Es ist nicht möglich in der Kita auf die Mimik zu verzichten, Kinder orientieren sich auch daran. Finden darin Sicherheit, Schutz und auch mal Trost. Sie ahmen nach, lernen und verbessern ihre sprachlichen Fähigkeiten. So sind wir täglich mit unzähligen Keimen belastet, dass ist normal, gehört zum Alltag, aber in Zeiten von Corona ist die Sorge groß. Nicht jeder erkrankt und hat einen milden Krankheitsverlauf. Schwere Verläufe sind in jedem Alter und in jedem Gesundheitszustand möglich. 

Und jetzt dieser Schnee, rutschige Straßen, KollegInnen die teilweise von weit her kommen und einen gefährlichen Weg vor sich haben. Man kann darum bitten: Bringen Sie Ihr Kind nur wenn es nicht anders geht. Die Eltern bringen ihre Kinder. Und die Erzieherinnen haben ja pünktlich um 7 Uhr da zu sein. Dass sie sich über eine Stunde über glatte Straßen quälen müssen, möglicherweise einen Unfall riskieren, interessiert nicht.

Hauptsache man selbst hat einen kurzen Weg, vielleicht sogar zu Fuß und hat eine Weile seine Ruhe.

Es sind nicht alle Eltern so, aber diese sind es, die mich so traurig machen. 

Auch wir haben Familien, Freunde, Menschen die uns lieben. Wir sind nicht unwichtig. Wir sind nicht wertlos. Mag sein, dass es keiner so gesagt hat, aber das Verhalten fühlt sich so an.

Wir wollen auch, dass diese Pandemie ein Ende findet, wir wünschen uns wieder mit allen Kindern arbeiten, singen, tanzen und lachen zu können, nicht einfach nur Notbetreuung. Wir wünschen uns auch wieder richtige Elternarbeit.

Aber im Moment wünsche ich mir nur, dass die Eltern aufhören einander die Notbetreuungsplätze zu neiden. Ich wünsche mir, dass auch sie sich gegenseitig unterstützen. Das sie Verständnis aufbringen für Familien, in denen es gerade sehr schwierig läuft und vielleicht auch mal zurück stecken um einem anderen Kind den Platz zu ermöglichen um dieser Familie zu helfen.

Es muss nicht alles mit Missgunst laufen. Diese Zeit ist für alle schwer. Ich wünsche mir auch, dass wir ein kleines bisschen mehr Wertschätzung erfahren, nicht mehr sämtliche Beschwerden auffangen müssen. Es ist schwer auf Dauer ruhig und freundlich, eben professionell zu bleiben.

Bitte neidet einander nicht das was der andere hat. Erfreut euch über das was ihr habt. Unterstützt euch gegenseitig, hört einander zu. Denn letztendlich kommen wir nur gemeinsam aus der Pandemie raus.


1 Kommentar:

  1. Sehr passende Worte meine Liebe. Danke dass Du aussprichst, was wir alle insgeheim denken.
    Wäre wirklich schön wenn sich einige Eltern diese Worte zu Herzen nehmen würden.

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